Mein kleiner FC-Bayern-Fanblog
Trainerverträge – besser spät als wertlos
nordlicht_fcb | 14. August 15
Seit Monaten geht das so. Die Medien fordern, daß Pep endlich seinen Vertrag bei Bayern verlängern solle. Sonst müsse es einen Cut und einen neuen Trainer geben, der FCB könne nicht mehr lange warten. Oktober? Zu spät. Winterpause gar? Viel zu spät. Man hat den Eindruck, als stünde der Verein kurz vor der Handlungsunfähigkeit. Als sei es nicht möglich, notfalls innerhalb von drei oder vier Monaten einen neuen Coach für eine Weltklassemannschaft zu finden.

Wie haben all die Fußballvereine bloß die letzten 100 und mehr Jahre überstanden? Trainerentlassungen gehören zum Alltag im Ligageschäft, und ich wüßte bisher von keinem Club, der auf Grund eines fehlenden Trainers den Spielbetrieb hätte einstellen müssen.
Aber die Verjüngung der Mannschaft von Bayern München müsse langfristig passieren, und das gehe nur mit einem entsprechend langfristig gebundenen Trainer, sagen die Kritiker. Quatsch, sage ich!

Der FC Bayern ist eine Spitzenmannschaft mit einer gesunden Altersstruktur. Selbst, wenn da ein einzelner Transfer mal an einer unklaren Trainersituation scheitern sollte, wäre das sicher kein Problem für das Gesamtgefüge.

Vor allem aber: Welche Gültigkeit haben Trainerverträge denn wirklich? Wie sicher kann man als Fan, als Spieler, aber auch als Trainer bzw. Vereinsverantwortlicher denn wirklich sein, daß ein Vertrag von beiden Seiten eingehalten wird? Bestes Beispiel ist doch Bayern München selbst: Jürgen Klinsmann wurde nach nicht einmal einer Saison entlassen, trotz gültigen Vertrages. Felix Magath wurde nach zwei Doubles entlassen, trotz gültigen Vertrages. Mit Louis van Gaal verlängerte man frühzeitig (was bedeutete, irgendwann im Herbst vor Ablauf seines Vertrages, glaube ich – das war damals frühzeitig, demnach hätte Pep also derzeit noch ewig Zeit für eine „frühzeitige“ Verlängerung...), auch, um Unruhe zu vermeiden. Offenbar war das aber zu früh; jedenfalls trennte man sich noch in derselben Saison, wenige Monate nach der Verlängerung, die damit reine Makulatur war, von ihm. Und fand danach trotzdem einen passenden neuen Trainer, obwohl nicht viel Zeit war...

Der HSV entläßt in steter Regelmäßigkeit Trainer mit gültigen Verträgen, und auch z.B. Roberto di Matteo hatte noch einen Kontrakt, als man ihn jüngst zum Saisonende bei Schalke entließ – und übrigens auch da trotz des späten Zeitpunktes noch einen anderen geeigneten Trainer fand. Und neue Spieler.

Auf der anderen Seite gibt es Beispiele von Trainern, die Verträge abschließen, die sie dann aber aus unterschiedlichsten Gründen nicht einhalten. Sei es, daß ein anderer Verein ruft, sei es, daß sie das Gefühl haben, ihrer Aufgabe nicht mehr gerecht werden zu können. Genannt seien hier Dieter Hecking, Roger Schmidt, André Breitenreiter (siehe oben, Stichwort Schalke, di Matteo) sowie Armin Veh oder Jürgen Klopp, der seinen Vertrag sehr früh sehr langfristig ausdehnte und dann recht kurzfristig sein Engagement beendete.

Fazit: Ein Vertrag auf der Ebene des Profifußballs ist auch bei Trainern inzwischen in der Regel nicht mehr viel mehr als eine grobe Orientierung. Grundsätzlich binden sich zwei Parteien aneinander, aber unterschiedlichste Gründe können diese Bindung auch ganz schnell wieder lösen, der Verein steht ohne Trainer da, der Trainer ohne Verein.

Was jetzt die aktuelle Situation bei Bayern angeht, gibt es einen amtierenden Trainer, mit dem der Verein offensichtlich weiterhin gerne verlängern würde, der das selber auch überhaupt nicht ausschließt, aber es offenbar möglichst vermeiden will, daß auf Grund einer unbedachten zu frühen Entscheidung einer der beiden Partner später vertragsbrüchig werden muß. Das finde ich logisch, nachvollziehbar, auch irgendwie ehrenhaft und allemal sympathischer als eine vorschnelle Unterschrift als vermeintliches Treuebekenntnis zu einem Club, das aber bisweilen nur sehr bedingte Gültigkeit hat.

Es sind ja bereits einige Trainer in der Pipeline, die den Wert ihrer mehr oder weniger frischen Vertragsunterschrift schon mal dezent in Frage stellen, falls Pep sich denn doch gegen eine Weiterführung seines Engagements entscheiden sollte, und offenbar ist der FCB so reizvoll, daß es sie nicht mal stören würde, in diesem Fall bestenfalls die B-Lösung zu sein. Dieter Hecking, Lucien Favre, Markus Weinzierl – sie alle haben schon angedeutet, daß ihr Bekenntnis zu ihrem jetzigen Verein nicht in Stein gemeißelt ist. Eigentlich ist die Situation dort also nicht anders als bei Pep, nur daß der fairerweise mit offenen Karten spielt!

Von außen beobachtet, ist die Lage für Bayern und Pep dementsprechend eigentlich gerade völlig entspannt. Man schaut, wie die Saison sich anläßt, wie man miteinander arbeitet, ob weiterhin alles paßt und alle sich mit der Konstellation immer noch wohlfühlen – und entscheidet dann irgendwann dieses Jahr oder meinetwegen auch erst im Februar 2016, ob man den Weg zusammen weitergehen möchte (was ich mir natürlich wünsche!). Wenn ja, ist alles super, man geht eine ernstgemeinte neue Vereinbarung ein, alle anderen Trainer bleiben, wo sie sind. Wenn nein, stehen genügend Trainer mit oder ohne theoretische Vertragsbindung Gewehr bei Fuß, um den Job zu übernehmen.

Also keine Hektik, Jungs – wie gesagt: Lieber spät als wertlos!