Mein kleiner FC-Bayern-Fanblog
Donnerstag, 24. Dezember 2015
Pep und ich – zwei von der Presse Mißverstandene. Eine kleine Medienschelte
nordlicht_fcb | 24. Dezember 15
Okay, ich gestehe, der Titel ist anmaßend. Zwischen Pep und mir liegen Welten. Dort eine öffentliche Person, ein weltweit bekannter Superstar des Fußballs, der aus meiner Sicht aktuell beste Trainer der Welt. Hier ein (zum Glück) völlig unbekannter einfacher Fußballfan.
Und doch vereinen uns ein paar Dinge. Im Moment glücklicherweise noch das Fiebern für dieselbe Mannschaft, darüber hinaus die Begeisterung für denselben Spielstil. Und das Gefühl, von den Medien mißverstanden zu werden. Vielleicht sogar noch mehr, aber das werde ich dann nie erfahren...

Tja, die Medien. Seit Monaten haben sie darauf gewartet, daß Pep sich über seine weitere berufliche Zukunft äußern würde. Der von Verein und Pep vereinbarte Zeitpunkt dafür sei viel zu spät, ein Unding, daß Pep lieber noch länger gewartet hätte. Entschieden hat Pep sich inzwischen – das interessanterweise nun aber zumindest viel zu früh bekanntgegeben, wie Arsène Wenger im Gegensatz zur deutschen Presse findet. Es kommt halt immer auf den Standpunkt an. Leider hat Pep sich gegen meinen FC Bayern und für eine neue, andere Herausforderung, vermutlich in der Premier League bei ManCity, entschieden. Schade! Aber das ist letztlich natürlich seine Sache. Und nachdem ich zuletzt das „Spitzenspiel“ der Premier League, Arsenal gegen ManC, gesehen habe, muß ich zugeben, daß England jemanden wie Pep wohl dringend braucht, dort wieder eine echte Aufgabe auf ihn wartet. Es mag einfach ein zumindest phasenweise schlechtes Spiel gewesen sein, viele Fehlpässe, wenig Bewegung, keinerlei Gegenpressing, dazu ein Ball wie ein Flummi, wie Mehmet Scholl sagen würde. Solch ein Niveau bietet inzwischen fast jedes Bundesligaspiel. Vielleicht erklärt das, warum ein Verein an der Spitze der Premier League steht, der mit einigen Ex-Bundesligisten maximal der gehobenen Mittelklasse ausgestattet ist...

Aber ich schweife ab. Pep verläßt also den FC Bayern. Und nachdem die Presse sich die letzten Monate damit vertrieben hat, die Verkaufszahlen mit Spekulation über Peps Zukunft nach oben zu treiben, ist sie nun dazu übergegangen, nach Gründen für Peps Entscheidung zu suchen. Sie könnten natürlich Leute fragen, die Pep kennen, Kollegen wie Martí Perarnau oder Isaac Lluch zum Beispiel. Dann würden sie vermutlich verstehen, daß Pep offensichtlich einfach so funktioniert, daß er ein Ausruhen auf Erfolg, selbst auf allerhöchstem Niveau, das jahrelange Absahnen von Titeln mit einer fertig entwickelten Mannschaft für eine eigene einzigartige Vita nicht genießen kann, daß er immer nach der nächsten Verbesserung, einer neuen Herausforderung strebt. Wenn er also glaubt, mit einem Klub alles ihm zum aktuellen Zeitpunkt Mögliche erreicht zu haben und den zu einer weiteren Verbesserung notwendigen Schritt nicht mehr gehen zu können, braucht er eine Veränderung, um die nötige Motivation für seine Arbeit zu finden. Vielleicht legt sich das mit dem Alter ja mal. Spätestens dann darf er meinetwegen gerne nochmal wiederkommen...

Würde man aber versuchen, den Menschen Pep in dieser Weise zu verstehen, hätten sich weitere Spekulationen fast erübrigt. Was für die Journalisten zugegebenermaßen langweilig wäre. Es ist doch viel schöner, jetzt darüber philosophieren zu können, ob es nicht doch unüberbrückbare Probleme zwischen Pep und dem Verein gebe, ob Pep eben einfach nicht zu Bayern passe, den Verein nicht richtig verstanden und lieben gelernt habe. Inzwischen sind wir bereits so weit, daß die menschlichen Qualitäten von Nachfolger Carlo Ancelotti in jedem Bericht über Peps Abschied aus München herausgestellt und als Gegensatz zu Peps Fähigkeiten hervorgehoben werden. Kann mir mal einer von Euch Journalisten erklären, wieso sich so viele Spieler in den letzten Monaten für einen Verbleib von Pep ausgesprochen haben, wenn er doch so ein Arschloch sein soll? Aber das ist ja auch Unsinn – wie sehen hier aus meiner Sicht einfach ein schönes Beispiel für die gekränkte Eitelkeit der Journaille. Pep hat sich uns nicht angepaßt, also dürfen wir Journalisten, die eigentliche Macht der Sportwelt, sein Verhalten grundsätzlich kritisieren. Ancelottis Umgang mit der Presse mag lockerer sein, abwarten, für ihn und die Medien mag es das einfacher machen, aber ich fand Peps Verhalten Jupp gegenüber (Klappe halten, bis er dran war) zunächst einmal sehr viel angenehmer als die vielen Schleim-Statements von Ancelotti, der vor ein paar Wochen noch über die Bundesliga gelästert hat. Alles öffentlich. Blöd, wenn man jeder Zeitung ein Interview gibt, ohne darüber nachzudenken, was man sagt, was? Zurückhaltung ist aus meiner Sicht manchmal eben doch besser. Minuspunkt für Ancelotti, gelungenerer Start für Pep.

Und hier kommt dann auch die sicherlich etwas an den Haaren herbeigezogene Gemeinsamkeit zwischen Pep und mir ins Spiel. Denn so, wie Pep nach meiner Ansicht hier einfach mißverstanden wird, so fühle ich mich als Bayernfan von den Medien ebenfalls mißverstanden: Die Bayernfans seien ja nie richtig warm geworden mit ihrem Trainer, seiner Art und seiner Spielidee. Das wird für einige Fans tatsächlich gelten, aber eben keinesfalls für alle! Ich bin begeistert von dem Menschen Guardiola, der vielleicht nach außen hin oft etwas unverbindlich bleibt, aber immer korrekt und freundlich ist, niemanden mit wutverzerrter Fratze anbrüllt und dennoch 90 Minuten mit größter Emotion am Spielfeldrand bei der Sache und bei seiner Mannschaft ist, als Coach im besten Sinne des Wortes. Ich bin begeistert von dem Trainer Guardiola, von seiner offensiven, ballbesitzorientierten Spielweise mit ganz viel Bewegung, immer wieder gespickt von unglaublichen Paßstafetten und attraktiven Angriffszügen, dazu alles in einem wahnsinnigen Tempo. Auf einem so hohen Level und so schön habe ich meine Bayern zuvor einfach noch nie spielen sehen! Deshalb nochmal ganz klar gesagt: Manch ein Bayernfan wird froh sein, wenn Pep weg ist, warum auch immer. Aber nicht jeder. Und von objektivem, ausgewogenem Journalismus erwarte ich einfach, daß die vielen, vielen Bayernfans, die glücklich darüber sind, Pep als Trainer zu haben, nicht wissentlich – an der Säbener Straße laufen bei den öffentlichen Trainings nach Heimspielen aus allen Teilen des Landes genug davon herum, um sie als Journalist finden zu können – totgeschwiegen werden.

Wobei wir beim nächsten Reizthema wären, dem angeblichen Ausschluß der Öffentlichkeit bei Trainings der Bayern. Ich besuche seit 2008 mehrmals im Jahr Spiele und auch öffentliche Trainings meiner Mannschaft. In dieser Zeit hat sich die Menge der öffentlichen Trainings nicht spürbar verändert. In der Regel waren und sind bis heute die Einheiten am Tag nach einem Spiel öffentlich, viel mehr nicht. Der Ablauf war schon immer so, daß die Einheiten korrekterweise ohne nennenswerten Kontakt mit dem Publikum durchgeführt wurden (Klinisi grüßte manchmal tatsächlich). Im Anschluß gaben Spieler oft Autogramme. Daran hat sich bis heute nichts geändert, und kein Trainer hat in dieser Zeit so oft und so geduldig Autogramme geschrieben, wie Pep das immer wieder mal macht. Jupp Heynckes beispielsweise habe ich nie nach einem Training Autogramme schreiben sehen. Aber es klingt halt schöner, wenn man behauptet, Jupp habe eine größere Nähe zu den Fans gehabt. Ich fand das nie. Aber ich bin ja auch nur ein Fan mit subjektiver Wahrnehmung und kein per definitionem objektiver Journalist!

Und weiter geht’s mit den ach so ausgewogen-objektiven Beobachtungen: Keine Pro-Pep-Sprechchöre gab es im Stadion, sagen die Journalisten, keine Pro-Pep-Plakate oder -Choreographien. Und schließen deshalb auf ein gestörtes Verhältnis zwischen Trainer und Fans. Dann hätten wir aber bisher zu annähernd jedem Trainer ein gestörtes Verhältnis gehabt: An die „Jupp-Jupp-Jupp“-Rufe kann ich mich frühestens seit dem Halbfinale gegen (ein geschwächtes, trainerloses!) Barcelona erinnern, da stand dessen Abschied übrigens schon monatelang fest. Plakate pro Trainerverbleib habe ich Stadion bewußt tatsächlich nur mal ganz schüchtern für Jürgen Klinsmann gesehen... Wirklich gefeiert wurde Ottmar Hitzfeld bei seinem zweiten Abschied (den ersten habe ich nicht miterlebt) und auch noch danach, und gefeiert wird bis heute Hermann Gerland. Ich erinnere mich übrigens noch an das Finale des UEFA-Supercups. Bayern gegen Chelsea, Pep gehen Mou. Die Chelsea-Fans feierten ausschließlich ihren Trainer, der vergeblich versuchte, sie zum Anfeuern des Teams zu animieren. Personenkult, hätte man in Deutschland vorwurfsvoll angemerkt, wenn Pep so herausgestellt worden wäre. Die Bayernfans aber feierten und feiern ihren Verein. Manchmal einen Spieler, manchmal einen Trainer, manchmal Uli Hoeneß. Immer aber den Verein.

Und, um zum nächsten Vorwurf zu kommen, ich habe auch nicht das Gefühl, daß Pep den FC Bayern nicht verstehen und lieben gelernt hat. Vielleicht nicht in allen Facetten, aber wenn er von der Arbeit mit den Vereinsmitarbeitern an der Säbener Straße spricht, kommt er regelmäßig ins Schwärmen. Immer wieder betont er, wie sehr er seine Spieler liebt, die diese Liebe ja offensichtlich erwidern; jedenfalls hebt das selbst ein Pep-Kritiker wie Uli Köhler hervor, der immer wieder beschreibt, daß Trainer und Spieler zu einem eingeschworenen Team zusammengewachsen seien. Seine oft so kritisch gesehene und als nicht ernstgemeint gedeutete Begeisterung für jeden einzelnen Spieler bezieht sich übrigens immer auf individuelle Eigenschaften – schon mal gemerkt? Dazu muß man die Jungs schon gut kennen und wirklich mögen. Das Verhältnis zu den Vereinsbossen scheint ja auch gut zu sein, sonst hätten diese sich sicherlich nicht so sehr um eine Vertragsverlängerung bemüht. Was aber ist nun der Verein, was ist „der FC Bayern München“, den es zu lieben gilt? In erster Linie doch wohl die Menschen, die diesen Verein gestalten. Wenn Pep nun also die allermeisten in diesem Verein tätigen Menschen schätzen und lieben gelernt hat, hat er dann nicht auch den Verein lieben gelernt? Ein ganz besonderes Verhältnis besteht offensichtlich auch zwischen Pep und Uli Hoeneß. Pep hat Uli im Gefängnis besucht, Martí Perarnau merkt an, daß das einzige, was aus Peps Sicht in seiner Zeit beim FC Bayern vielleicht nicht perfekt gewesen sei, die zu kurze Zeit der ganz engen Zusammenarbeit mit Hoeneß gewesen sei. Wenn es aber eine Person gibt, die mit dem FC Bayern gleichgesetzt werden kann, dann ist das Uli Hoeneß. Ich bedaure es sehr, daß Uli in den letzten Jahren nicht da war. Als enger Vertrauter und Freund für Pep, aber auch als jemand, der den Journalisten bei Hispanisierungsdebatte oder angeblichem „Mia-san-Mia-Verlust“ mal die Meinung gegeigt und den eigenen Mann ohne Einschränkung verteidigt hätte. Ob das etwas an Peps Entscheidung geändert hätte, weiß ich nicht, wohl eher nicht, aber als Team wären die beiden vermutlich unschlagbar gewesen!

Eines begeistert mich rückblickend bei Pep besonders. Er ist er selbst geblieben und hat sich der Presse nicht angebiedert. Er hat alle Verpflichtungen wahrgenommen, manchmal vielleicht etwas genervt, was vermutlich oft an den Fragen gelegen hat, aber um zu merken, daß man Unsinn fragt, braucht man eine gewisse Mindestintelligenz, meist aber freundlich und charmant. Er hat keine Exklusivinterviews gegeben, Homestorys gemacht oder mit Christian Ortlepp kumpelhafte Plaudereien vor der Kamera veranstaltet. Damit hat er sich vielleicht nicht unbedingt Feinde, aber vermutlich nicht allzuviele Freunde gemacht unter den Journalisten. Das hat er gewußt, als er auf eine Anbiederung verzichtet hat und sich selbst dafür treu geblieben ist. Das rechne ich ihm hoch an, Kompliment! Es hätte einen einfacheren Weg gegeben.
Allerdings glaube ich, daß die Journalisten ihrerseits trotzdem durchaus eine Chance gehabt hätten, Pep näher zu kommen. Wenn sie sich nämlich in den Pressekonferenzen ernsthaft für seine Arbeit interessiert hätten, für Fußball, für Spielideen und Taktiken, für seine Bewertung eines Spiels. Ich kann mich an das eine oder andere enttäuschte Aufstöhnen bei Pep erinnern im Sinne von „Wir haben heute Wahnsinn gespielt, und Eure ersten drei Fragen drehen sich darum, wem mein Gruß ins Publikum nach dem Spiel galt.“ Ich kann seine Verzweiflung verstehen.

Ich könnte ewig so weitermachen mit der Medienkritik. Ich ärgere mich zur Zeit nämlich fürchterlich über die Berichterstattung. Jetzt, wo das attraktivste Thema des Fußballs Deutschland verläßt, holt man nochmal das ganz schwere Gerät raus, läßt kein gutes Haar an Pep. Man könnte meinen, Bayern dümpele seit drei Jahren titellos im Mittelfeld der Liga herum. Menschlich kompliziert, sportlich ohne Triple auch nur bedingt erfolgreich, nie ganz in München angekommen. Was Pep selber dazu sagt, nämlich in vielen Dingen das Gegenteil, wird in diesem Zusammenhang gar nicht wahrgenommen oder – was noch schlimmer wäre und erklären würde, warum Pep entsprechende Aussagen auf ein Minimum reduziert – nicht geglaubt. Er bleibt unverbindlich, und das ist okay! Es gibt von Leuten, die ihm dann eben doch nahegekommen sind, viel über ihn zu lesen; das reicht, damit ich als Fußballfan den Trainer meines Vereins bestmöglich verstehen kann. Darüber hinaus gibt er mir den schönsten Fußball, den je eine Bayernmannschaft gespielt hat, und erfolgreich ist der auch noch, egal ob am Ende mit dem oder ohne den ganz großen Titel.

Ich habe Pep lieben gelernt, als Teil meines Vereins, als Trainer meiner Lieblingsmannschaft, als Mensch. Für mich wird er immer zur Bayernfamilie gehören. Und am Ende ist es doch genau das, was für den Fan zählt: seine subjektive Wirklichkeit. Wenn ein Fan findet, daß Felix Magath oder Klinsi den heutigen Verein am nachhaltigsten geprägt und vorangebracht haben, ist das seine Wahrnehmung und absolut in Ordnung. Die einen trauern Toni Kroos bis heute nach, die anderen sind froh, daß er weg ist. Manche schwelgen noch in der Erinnerung an die 70er Jahre und haben auch schon schwierigere Zeiten mit dem Club durch, andere sind erst durch den Erfolg der letzten fünf Jahre zu Fans geworden, was vielleicht altersbedingt auch gar nicht immer anders möglich war. Aber am Ende vereint uns alle die Liebe zu unserm Club. Wir Bayernfans sind genauso unterschiedlich und vielfältig wie die Spieler aus aller Herren Länder oder die Journalisten jedweder Ausprägung, die ich hier auch mal gnadenlos über einen Kamm geschert habe. Ich bin Bayernfan, und ich bin Pep-Fan. Deshalb bin ich bei meiner Einschätzung der Medien sicherlich in diesem Blogbeitrag auch nicht immer wirklich objektiv und fair gewesen, dafür entschuldige ich mich.

Permalink





... ältere Einträge