Mein kleiner FC-Bayern-Fanblog
Freitag, 4. September 2015
Eine unsägliche Diskussion. Sorry, liebe Bayern-Spanier!
nordlicht_fcb | 04. September 15
Eigentlich will ich nicht über die große Politik sprechen. Ich bin in vielen Dingen nicht tief genug drin, um sie wirklich seriös beurteilen zu können. Und trotzdem – auch als Fußballfan und als solcher gerade auch vor dem Hintergrund all dessen, was in den letzten Wochen in der Presse zum „Problem“ beim FC Bayern gemacht wurde, läßt mich das große Thema dieser Tage nicht kalt.

Ich hätte nie gedacht, daß mir das mal passieren würde. Ich war irgendwie immer glücklich darüber und sogar stolz drauf, Deutscher zu sein. Schon zu Zeiten, zu denen das noch nicht en Vogue war. Ich war stolz auf eine insgesamt – mit Ausnahme von zwölf Jahren – doch relativ brauchbare Geschichte, viele Dichter und Denker, Komponisten, Architekten, Philosophen, Wissenschaftler, vor allem aber auf das, was aus dem Schlimmsten, das dieses Land hervorgebracht hat, an Gutem erwachsen ist. Ich habe in den Tagen des Mauerfalls heulend vorm Fernseher gesessen und am Tag der Deutschen Einheit nochmal. Ich habe es genossen, bei der WM im eigenen Land und seitdem bis zum Titel 2014 zu jeder WM und EM mit schwarz-rot-goldener Fahne am Auto durch die Lande zu fahren und so herrlich entspannt und selbstverständlich mit der eigenen Vaterlandsliebe umgehen zu können.

Doch in diesen Tagen und Wochen schäme ich mich das erste Mal in meinem Leben tatsächlich dafür, Deutscher zu sein – oder zumindest schäme ich mich für meine Landsleute.

Ich will jetzt gar kein großes Faß aufmachen und mich ausschweifend über das äußern, was rund um das Thema Flüchtlinge gerade in Deutschland passiert. Viele Menschen beweisen Mitgefühl und versuchen zu helfen, so gut sie können. Hier habe ich selber sicherlich auch noch Nachholbedarf, und diese Menschen sind mir ein leuchtendes Vorbild. Einiges ist dann aber doch beschämend, und unser Land zeigt sich an manchen Stellen von seiner häßlichsten Seite. Ein paar ewig Gestrige und politisch Verblendete nutzen die Situation aus, um Stimmung zu machen, und manch ein schlichtes Gemüt läßt sich davon beeinflussen und zu üblen Taten verleiten.

Ganz grundsätzlich, aber noch einmal besonders vor diesem Hintergrund habe ich überhaupt kein Verständnis mehr für die Sport-Journaille und vermeintliche Fußballexperten, die dem FC Bayern vorwerfen, seine Identität zu verlieren, weil angeblich zu wenige Deutsche in Mannschaft und Trainerstab vertreten seien. Mehr oder weniger intelligente Menschen behaupten damit im Prinzip, ein Fußballverein dürfe nicht zu viele Ausländer in seinen Reihen haben, um er selbst zu bleiben. Wie soll man, wenn man diese Behauptung ernst nimmt, Menschen, in deren Nachbarschaft gerade Hunderte Flüchtlinge untergebracht werden, erklären, daß sie keine Angst davor haben müssen, daß ihre Heimat sich zu sehr verändern und ihnen fremd werden könnte?

Ich habe die Trainer-PK vor dem Hoffenheim-Spiel gesehen. Es kann nicht sein, daß Pep Guardiola sich jede Woche gleichsam für seine Herkunft rechtfertigen muß. Und für die seiner Spieler gleich mit. Ich habe noch nie einen Trainer erlebt, egal ob deutsch oder nicht, der sich so komplett auf den FC Bayern eingelassen hat, der so bereit war, den Klub mit all seinen Eigenheiten kennenzulernen und sich der Vereinskultur anzupassen. Natürlich, ohne sich selbst, seine Persönlichkeit und seine fußballerischen Ideen zu verraten. Wer Pep zuhört, der merkt, wie wichtig es ihm und seiner ganzen Familie ist, die deutsche Mentalität zu verstehen, die Kultur unseres Landes, die Menschen kennenzulernen. Und als Dank dafür werfen wir ihm vor, dem FC Bayern seine Identität zu nehmen. Pep wird nie ein Bayer werden, er ist halt nicht als einer geboren. Genauso wenig übrigens wie Kalle Rummenigge oder Uli Hoeneß. Oder Effenberg. Oder Hitzfeld.

Markus Hörwick verwies in der Hoffenheim-PK darauf, daß heute mehr deutsche Spieler und Eigengewächse in der ersten Mannschaft spielen als 2001. Er sagte auch, es schüttele einen bei solchen Worten, zumal der Verein sich jeder Anti-Rassismus-Kampagne anschließe. Mich schüttelt es schon seit Wochen bei dieser ganzen Diskussion, die – und das ist fast noch das Schlimmste – nicht etwa eine Stimmung beispielsweise unter den Fans aufnimmt und einzuordnen versucht, sondern mehr oder weniger gezielt von den Medien losgetreten wurde. Was für Medien seid Ihr? Und was ist Euer Hintergedanke? Wie kann es sein, daß heutzutage unter halbwegs intelligenten Menschen so eine Diskussion überhaupt möglich ist, die Presse einem solchen Thema – gerade auch mit diesem seltsamen Zungenschlag – überhaupt Raum gibt?


Wie in jedem Verein gibt es natürlich auch beim FC Bayern unterschiedliche Fan-Strömungen. Es gibt Menschen, die Pep Guardiola mögen, ihn für einen der weltbesten Trainer und die Ideallösung für den FC Bayern halten. Keine Überraschung vermutlich, wenn ich sage, daß ich zu dieser Gruppe gehöre. Es gibt andere, die Pep nicht mögen und/oder seine Leistung nicht so hoch bewerten. Alles absolut legitim. Es gibt Fans, die sich mit der aktuellen Mannschaft besonders gut identifizieren können, andere würden sich vielleicht eher wieder ein paar andere Spielertypen wünschen. Und ganz sicher gibt es auch unter den Bayernfans es ein paar verblendete, schlichte Geister, deren Weltanschauung sich grundsätzlich nicht gut mit ausländischen Spielern und Trainern vereinbaren läßt. Das ist ein im Fußball verbreitetes Problem und schließt den FC Bayern nicht aus. Aber ich denke, wir sind uns einig, daß ein solches Gedankengut nichts in unserem Verein zu suchen hat.

Ich habe inzwischen tatsächlich manchmal die Sorge, daß Pep Guardiola den FC Bayern ganz konkret deshalb verlassen könnte, weil er der Meinung ist, auf Grund seiner Herkunft dem Verein zu schaden und nur mit einem Weggang die Diskussionen um die Identität des Klubs beenden zu können. Ich hoffe inständig, daß das nicht passiert, daß aber allen echten und quereingestiegenen Journalisten klar ist, was für ein katastrophales Bild Deutschland in diesem Fall international abgeben würde!

Und zuletzt: Ich bin auch kein Bayer. Trotzdem: „Von der Elbe bis zur Isar, immer wieder FCB!“ Aber vielleicht darf ich als Nordlicht ja gar kein Bayernfan sein, weil ich die Fan-Identität des Vereins verwässere? Vielleicht habe ich nach dieser Definition jetzt schon 40 Jahre lang dem Verein geschadet? Dumm gelaufen. Und trotzdem werden hoffentlich noch 40 weitere folgen, denn die Wahl des Lieblings-Fußballvereins ist offensichtlich nicht einfach so steuerbar, sondern irgendwo in den Genen angelegt...

Mein FC Bayern ist ein weltoffener, international aufgestellter und erfolgreicher Verein, der sich einen familiären Touch bewahrt hat. Meine FC-Bayern-Familie ist eine moderne Patchwork-Familie. Sie setzt sich zusammen aus einer bunten Truppe von Spielern, denen eines gemeinsam ist. Sie kämpfen und spielen mit ganzem Herzen für den FC Bayern, identifizieren sich mit dem Klub und bleiben genau deshalb gewöhnlich auch einige Zeit da. Thomas Müller, Manuel Neuer, Jérôme Boateng, Franck Ribéry, Arjen Robben, zukünftig vielleicht auch Joshua Kimmich, Thiago, Juan Bernat und Douglas Costa. Sie alle sind der FC Bayern. Mein FC Bayern.

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